Felder

 

 

 

Es gibt viele Felder, auf denen man tätig sein kann. Jost Stenger kennt sich da aus. 1939 in Berlin geboren, absolviert er das Gymnasium, entscheidet sich aber für eine Maurerlehre, was angesichts der Trümmerfelder der Nachkriegsjahre sinnvoll erscheint.

 

 

Mitte der sechziger Jahre wechselt Stenger wieder das Feld und entscheidet sich für eine Ausbildung zum Bautechniker in Lübeck. Seine neue Tätigkeit bringt den jungen flexiblen Stenger nach Frankfurt am Main. Besuche im Städel und den Galerien im aufstrebenden Frankfurt stärken Stengers Kunstinteresse, erste Kontakte entstehen.

 

 

Bei einer Kunstaktion mit Manfred Jäger, einem Frankfurter Künstler und Galeristen, stürzt sich Stenger vom Eisernen Steg in den Main. Es war eine Bildertaufe, gleichsam einer Taufe zum Künstler. Das war 1966, dem Jahr als er an´s Städel ging und bei Professor Eliasberg studierte.

 

Er zeichnet 1967 die im Städel zu sehende Sammlung auf Papier. Im Format 33 x 46,5 cm, mit Farbstift und einem entschlossenen, kräftigen Strich bringt Stenger die gezeigte Sammlung auf sechs Blättern unter, über Hunderte Bilder auf einem Blatt. Wie ein Bild dargestellt wird, nahezu realistisch oder nur in Farbflächen, einer Abstraktion gleich, entscheidet Stenger emotional. Die Sammlung des Liebieghauses reduziert er auf ein Blatt!

 

 

In der Galerie Ursula Lichter zeigt Stenger 1969 die Blätter in Verbindung mit Spielzeugfiguren und anderen Alltagsgegenständen vereint unter dem Titel „Progressives Museum“. Das Städel erwirbt die Blätter, sie sind heutzutage in der Graphischen Sammlung zu besichtigen.

 

Die Stadt als urbaner Raum gehört zu Stengers Arbeitsfeld, er nutzt sie für Kunstaktionen oder als lebendes Modell für seine Stadtzeichnungen. Sie kündigen Stengers Weg zur Abstraktion an. Mit leichtem Strich sind sie nur noch eine emotionale Darstellung von Stadt, nur die Titel der Blätter geben Aufschluss über das Gezeigte.

 

 

 

Ab 1971 pendelt Stenger zwischen Frankfurt und Düsseldorf. Er geht zu Beuys für zwei Jahre und ist beteiligt an der Einrichtung dessen politischen Ladens. Stenger wird politischer und konzeptioneller, verfasst Briefe – unter anderem an den Verteidigungsminister Helmut Schmidt, in dem er ihn informiert, eine Million Jost Stenger zu installieren, um das eigene Heer zu paralysieren.

 

 

Bis Ende der siebziger Jahre waren Themen wie Mensch, Kapital, Politik, Demokratie, der Mensch und seine Gedanken, der Mensch in seiner Umwelt seine treibende Kraft. Doch dann kommt es zum Bruch in seiner künstlerischen Tätigkeit. Er zieht sich aus dem Kunstbetrieb zurück und verlegt seine Aktivitäten in Frankfurts Parkanlagen. Stenger gärtnert, er nennt es: „Ein Stück Wald für Hunde“ und „Ein Stück Wald für Amerikaner“. Heute würde man es Guerilla Gardening nennen, wenn es nicht ein dreißigjähriges Landartprojekt gewesen war.

 

Stenger wäre nicht Stenger, wenn dies schon der letzte Wechsel seines Tuns gewesen wäre. Ab 2010 legt er seine Gärtnerwerkzeuge beiseite und tauscht sie gegen Pinsel und Stift. In seinem Sachsenhäuser Wohnatelier entstehen seit dieser Zeit Aquarelle, Monotypien und Zeichnungen in DIN A4 Größe.

 

 

Die hier gezeigten Monotypien sind Ausdruck von konzentrierter Aktion, sind in Farbe gezeichnete Gedankensprünge, die sich uns durch das Abdrucken auf Papier widerspiegeln. Seine Aquarelle nennt er „Feldbestellungen“, es sind frei eingeteilte Blätter, sie folgen einer eigenen Ordnung. Gefüllt mit Farben und Formen knüpfen sie an die Städelzeichnungen von ´67 an. Doch diesmal bestellt Jost Stenger seine Felder selbst. In einem emotionalen Farb- und Formenrausch entsteht Feld für Feld, Blatt für Blatt und kündet von einem inneren Frühling.